Als geneigter Skifahrer oder Wanderer kennt man das leidige Problem: Will man auf den Berg hinauf, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Es gibt einen langen und beschwerlichen Weg und einen, bei dem man von einer (mehr oder weniger) winddichten Gondel aus den Fanatikern beim Aufstieg zusehen kann. Nun sind Gondelfahrten zwar in einer gewissen Weise mit einem Vorspiel zu vergleichen, dennoch möchte der Wander-/Skisportler dann doch zum Hauptteil übergehen – den Rucksack satteln oder das Brett seiner/ihrer Wahl in Position bringen.
Dementsprechend sind solche Transporteinrichtungen naturgemäß auf eine schnelle und reibungslose Abfertigung getrimmt – vom Anfang bis zum Ende muss alles ordentlich durchorganisiert sein, damit es nirgendwo Stau gibt. Am 10.12.2011 wurde das Konzept völlig umgekrempelt. Das Datum redefiniert das Konzept des Transportmittels Gondel in einer Weise, wie man es sich vor diesem Datum nicht so recht vorstellen konnte. An diesem Tag oder besser gesagt, in der dazugehörigen Nacht wollte man am liebsten nur noch Gondelfahren.
Erfahren habe ich im Oktober davon. Nachdem ich in einer Bude arbeite, die auch mit Kurzfilmen diverse Veranstaltungen ausschmückt, wurde ich direkt Von Dr. Christoph Murr angeschrieben, dem Mastermind der Veranstaltung. Zunächst war ich mir nicht ganz so sicher, was ich davon halten soll, insbesondere, weil die Rüfikopfbahn nicht gerade zu meinen Lieblingsbahnen zählt.
Je weiter sich der Tag näherte, desto mehr fing ich an, mich für diese Veranstaltung zu interessieren. Abgesehen davon war das Zusammenspiel auch logisch: 10-15 Minuten Film, 10-15 Minuten eine Gondelfahrt… Concidence? I don't think so! Trotzdem, ich ließ mich überraschen – und war schon gespannt, was kommt. Diese Veranstaltung wäre ein ordentlicher Vorwärtsschub in der Veranstaltungskultur von Lech/Zürs und würde Maßstäbe setzen. So etwas braucht der Ort.
Am Vortag war die bereits traditionelle Modeschau der Stadt, die mit einer Vorschau auf die Veranstaltung geschlossen wurde. Bereits dort hat man gemerkt, dass Cineastic Gondolas neue Maßstäbe setzen sollte. Am Samstag war es dann soweit: Die Lichter gingen an und sollten die ganze Nacht zum Tag machen. Betrat man den Eingangsbereich der Seilbahnstation, unterschied sich zunächst nichts von einer normalen Seilbahn: Auch dort wird die Schranke nur mit einer gültigen Liftkarte geöffnet. Anders war aber die Gästeliste – da hat es dann ganz ohne Karte geklappt. Bereits im Erdgeschoß wird man von einer Bar empfangen, in der die Reise schon anfängt. Will man ein Level aufsteigen, muss man an einem Türsteher vorbei, der so manchen Schabernack im Sinn hat – durchaus möglich, dass das nicht jedem Besucher gefällt. Im Einstiegsbereich wirds dann richtig spacig. Neben einen weiteren Discodeck muss man zuerst durch eine zweite Kontrolle, einem Ganzkörperscan, richtig schön mit einer Microsoft Kinect umgesetzt [Video].
Entscheidet man sich für die Kurzfilmgondel, erwartet einen beim Einstieg eine vollkommen abgedeckte Kabine, ausgeschmückt mit Sitzkissen, die Haltevorrichtungen an die Decke geklebt. Als alter Hase im Gondelfahen ist man zunächst vollkommen verwirrt – und so wie es aussah, war ich nicht der einzige. Einige alteingesessene Lecher machten den gleichen Fehler und setzten sich auf die Sitzkissen, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass auf der einen Seite eine Leinwand gespannt ist. Schnell umgedreht wird auch sehr schnell klar, dass einige Besucher davor noch nie einen Kurzfilm davor gesehen haben, was sich im Gespräch später bestätigt hat.
Es sind nunmal kleine Geschichten, aber auch längere Geschichten die auf 15 Minuten gepresst werden. Kurzfilme haben eine sehr eigene Faszination, sind oft witzig, hin und wieder passt aber auch ein Stück Hintergrund hinein, aber allen sieht man an, welche Arbeit da drinnen steckt. Allein schon die große Bandbreite verschiedener Stile, die man bewundern durfte, haben das Erlebnis wirklich einmalig gemacht.
Oben angekommen kann man entweder den Willkommensgeschenk-Jetton in Glühwein verwandeln oder man sieht sich die Installationen an, die zwischen Rüfibahn II und Rüfibahn I aufgestellt sind. Leider fanden die wirklich ausgezeichneten Visuals kein ausreichend abgehärtetes Publikum, da es geschneit hat und dementsprechend war ein Verweilen dort etwas schwierig.
Lustiger ging es in der Bergstation Rüfibahn I zu. Die Schwesternstation, die von der Discogondel angefahren wurde, entpuppte sich später am fortgeschrittenem Abend zum Dreh und Angelpunkt. Wo zuerst alle Filme unter Moderation gezeigt wurden, spielte später eine Liveband und verwandelte den als Speisesaal gedachten und genutzten Raum in eine schummrig beleuchtete Bar.
Das Publikum brachte erwartungsgemäß eine Mischung aus Skepsis und Neugier mit. Man muss sich vorstellen, dass sehr viele Einheimische von dem bunten Licht und dem lustigen Plakat angelockt wurden. Das Konzept war zu diesem Zeitpunkt noch nie vorher ausprobiert worden, weswegen natürlich alle sich aus erster Hand überzeugen mussten, dass Herr Dr. Murr da etwas Anständiges aufgezogen hatte.
Ich habe während der Veranstaltung mit einigen alten Hasen gesprochen und die Resonanz war durch die Bank durch überwältigend. Kaum einer hat davor etwas mit Kurzfilmen zu tun gehabt, aber alle, mit denen ich geredet habe, waren begeistert. Darüber hinaus war nicht nur eine demografische Schicht zugegen – jung wie alt wurden vom Licht wie die Motten angelockt und brachten die Veranstaltung zu Bersten. Leider waren so gut wie alle in der Bergstation der Rüfibahn I, da ging die Installation in der Rüfibahn II etwas unter – das müsste in Zukunft etwas besser kommuniziert werden.
Nach Hause ging es mit der Diskogondel, die mit enthusiastischen Partygästen zu kämpfen hatte. Naturgemäß sind DJs für die Stimmung da, nur hat sich Stimmung in der Gondel leider in Bewegung manifestiert. Nun ist die Bewegung ja positiv, nur gehört die überallhin, nur nicht in eine Gondel, die zig Meter über dem Boden an einem Seil hängt. Die Menge war glücklicherweise leicht zu beruhigen, nachdem die Musik kurz einmal leiser gedreht wurde.
Unten angekommen, erst einmal ein Blick nach oben, dann der Abstieg auf die Ebene 0. Ganz unten noch einmal ein kurzer Blick zurück, teils Bedauern, weil es vorbei ist, teils Erleichterung, weil es ins Bett geht, teils Hoffnung, dass im Dezember 2012 wieder Gas gegeben wird. Die Veranstaltung war ein Meisterstück, soweit es sich meiner Beobachtung zumindest ableiten lässt, hat alles reibungslos funkioniert. Man hat gesehen dass die Leute mit Freude dabei waren, und das hat die ganze Veranstaltung in Gold verwandelt. Man sieht sich hoffentlich 2012 wieder!
Letzter Senf