Oder: Es ist nie zu spät, alte Gewohnheiten zu ändern.
Eine Geschichte, ein Ziel. Aber der Reihe nach. Wir beginnen mit einer Geschichte aus meiner Vergangenheit.
Mein Großonkel – Bauer aus Leidenschaft.
Mein Großonkel war Bauer. Damals Vollerwerbsbauer. In meiner Kindheit hatte er noch Schweine, später „nur“ noch Rinder. Das waren seine Tiere, um die hat er sich gekümmert. Selbst im Winter hat er die Kühe an die Leine genommen und ist mit ihnen spazieren gegangen. In den Nullerjahren – ich weiß nicht mehr genau, wann – nahmen seine gesundheitlichen Probleme überhand; schlussendlich eine Staublunge zwang ihn dazu, seine Arbeit zu beenden.
Es folgte eine Phase der Erholung, eine zeitlang war er außerhalb des Haus nur mit einer Sauerstoffflasche anzutreffen. Er hat stark abgenommen und so wie ich gehört habe, ging ihm die Arbeit doch sehr ab – der Sinn hat ihn plötzlich gefehlt. Als wir dann Schafe bekommen haben, hat er dann wieder etwas gehabt, das er täglich besuchen und füttern konnte. Aber seine Arbeit fehlte ihm.
Seine Tochter hat uns dann einmal eine Anekdote erzählt, die mich bis heute beschäftigt: Um körperlich nicht abzubauen, haben sie ihm einen Hometrainer gekauft. Wenig überraschend hat er allein die Vorstellung, sich auf ein Fahrrad zu setzen, erst einmal komplett von sich gewiesen und in den Raum gestellt, dass diese Anschaffung Geldverschwendung war. Das Thema war also vom Tisch – der Hometrainer blieb aber stehen.
Eines Tages – nach dem Abendessen – stand der Großonkel wortlos auf und verschwand. Zunächst dachte sich niemand etwas dabei – später haben sich dann doch alle Sorgen gemacht und wollten gerade nach ihm suchen, als er wieder gekommen ist. Auf die Frage, wo er denn jetzt gewesen sei, hat er nur trocken geantwortet: „im Nachbarort.“
Die Auflösung: Er hat sich auf den Hometrainer gesetzt und hat sich seine Tour visualisiert. Er hat die Kilometer auf dem Hometrainer in seinem Kopf „nachgespielt“ und ist die Straße gefahren, die er zuvor viele Male mit seinen Landmaschinen gefahren ist. SO hat es für ihn funktioniert. Und so wurde es für ihn eine feste Gewohnheit – eine alltägliche Fahrt mit einem neuen Gefährt.
Der Doktor, der die Geschichte dann natürlich mitgeteilt bekommen hat, hat dann aber gewarnt davor, zu weit zu fahren: Er soll bloß nicht weiter als bis zum übernächsten Ort fahren. An die Warnung hat er sich gehalten.
Ich weiß nicht, ob er durch dieses Training Zeit gewonnen hat. Ich weiß aber: Er hat sich in seinem Alter (er musste zu dem Zeipunkt schon gut über 70 gewesen sein) noch etwas neues angetan und mit alten Gewohnheiten gebrochen.
Wenn er das mit 70 kann, kann ich das mit 40 auch.
So langsam machen sich in meinem Alter auch Abnützungserscheinungen bemerkbar. Mein tägliches Pensum an Bewegung hat sich auf den Arbeitsweg und anfallende Arbeiten im Haus reduziert. Meine Essgewohnheiten haben sich in der Pandemie nicht gebessert und haben sich danach nur langsam normalisiert. Und gerade in den letzten Monaten, als ich wieder begonnen habe, häufiger Blut spenden zu gehen, wurde mir zusätzlich ein Problem vor Augen geführt, das ich so nicht am Schirm hatte: Bluthochdruck.
Alles in allem einige Signale, um mit alten Gewohnheiten zu brechen, würde ich sagen.
Vor einigen Wochen habe ich für mich einen Plan skizziert, wie ich meine Gewohnheiten ändern könnte. Dieser Plan beinhaltet amüsanterweise einen Hometrainer. Und da der in der Firma steht, in der ich arbeite, muss ich keine neuen Wege einplanen – nur meine Gewohnheiten leicht ändern.
Der Plan:
Der Plan ist relativ simpel: Ich fahre recht früh in die Arbeit. Statt einem direkten Start in den Arbeitstag werde ich die erste Stunde für eine Runde auf dem Hometrainer reservieren und dann in den Arbeitstag sparen.
Nur bis zum Nachbarort?
Wie weit komme ich? Wie weit komme ich in einem Monat? Wie weit komme ich in einem Jahr?
Lange habe ich hier nichts mehr geschrieben. Aber diese Gewohnheit sollte auch wieder kommen. Da der Hometrainer natürlich brav mitschreibt, kann ich die zurückgelegten Kilometer auch zu einer fiktiven Route zusammenfassen. Wo ich starten werde, weiß ich noch nicht ganz genau – wo es endet, auch nicht. Zwischen 18 und 250 Tagen soll es dauern, bis sich eine Gewohnheit manifestiert hat. Wieviel ich brauche, steht noch nicht fest.
Meine Motivation liegt täglich neben mir, die andere Motivation rotiert im Nachbarraum im Bett. Ich weiß nicht, ob ich Lebenszeit dadurch gewinne. Ich weiß aber, dass ich es auf jeden Fall versuchen muss.
Letzter Senf