Share

Windows 8, zwei OS zum Preis von einem

  • 26. November 2012

Vor einigen Tagen habe ich gelesen, dass es aktuell ein Sonderangebot von Microsoft gibt – Windows 8 Pro als Upgrade für 30€.

Nachdem meine "Spielmaschine" doch schon etwas länger mit Windows 7 läuft und schon einiges an Altlasten mit sich getragen hat, dachte ich mir, schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe: Gleich ein neues Windows draufwerfen und nebenher gleich mal die aktuellste Version dafür verwenden.
Dabei kann sich gleich einmal zeigen, was das Windows 8 (intern: 6.2) so drauf hat.
Dass mein PC nach der Installation eine schwere Form einer multiplen Persönlichkeitsstörung entwickelte, hatte ich allerdings nicht erwartet.

Die Installation.

Auf der Microsoft-Website gibts prominent platziert das Upgrade-Sonderangebot. Mit einem Klick drauf wird ein Programm heruntergeladen, dass zuerst den Rechner auf Upgradefähigkeit prüft (Hardware, Software, gültige Windows-Lizenz) und anschließend bekommt man die Möglichkeit, eine Lizenz zu kaufen – per Kreditkarte oder Paypal wird gleich in der App abgerechnet und anschließend auch gleich der Product Key angezeigt.
Ich entscheide mich für eine Installation über DVD. Das Tool erstellt ein ISO und startet auf Wunsch das Image-Brennprogramm, das mit Windows 7 eingeführt wurde. Nach dem Brennvorgang starte ich den Rechner neu. Es bleibt spannend.
Ich weiß nicht wo genau der Rechner eine Persönlichkeitsstörung entwickelte, aber es dürfte bereits begonnen haben, als ich die Sprache beim Start von der DVD ausgewählt habe. Seit ich auf der FH ständig mit einem englischen Windows zu tun hatte, habe ich mir auch angewohnt, privat Windows auf Englisch zu verwenden. Beim Setup stelle ich daher die Sprache auf Englisch ein (falls möglich) und die Ländereinstellungen, wie etwa die Währung, das Datumsformat o.ä. stelle ich auf Deutsch (Österreich) ein. Bisher hat das auch problemlos funktioniert. Wie gesagt, bei Windows 8 hat sich hier wahrscheinlich die erste Ausprägung einer Schizophrenie manifestiert.
Die Installation war erfreulich schnell und genauso simpel wie unter Windows 7. Da jetzt natürlich die Treiberunterstützung verbessert wurde (das erwarte ich mir von jeder neuen Betriebssystemversion), hatte ich auch keine Probleme mit dem SATA-Treiber.
Übrigens: Eine Windows 8 Upgrade Neuinstallation funktioniert problemlos. Einfach mit der DVD starten und anstatt Upgrade den Punkt Custom Installation wählen und dann im Partitionierungsdialog die Win7-Platte formatieren.

Die Ersteinrichtung.

Nach einem Neustart startet Windows 8 mit dem Einrichtungsdialog, der die üblichen Fragen stellt: Automatisch Updates ein, Windows darf die Position ermitteln, usw., simple Dinge, die schnell erledigt sind.
Beim Erstellen des Benutzers stellt sich mir dann das erste Fragezeichen: Ich brauche einen Microsoft Live Account? Schlecht. Ich hab zwar einen, aber irgendwie erinnert mich das an Chrome OS. Ich will meine Sachen nicht in der Cloud. Anyway, ich trage meinen Hotmail-Account ein.
Anschließend wird der Desktop eingerichtet. Sinnvollerweise erscheint während dieser Zeit eine kurze Einführung in den für den Desktop-User noch völlig unbekannten Desktop. Was mich dabei aber irritiert ist, dass ständig die gleiche Geste gezeigt wird. Sinnvoll wäre es, kurz einmal alle Gesten durchzuführen. Ich habe zum Beispiel erst die Nachricht auf Golem lesen müssen, um zu erfahren, wie eine Geste richtig funktioniert. So muss das nicht sein, da wurde gepatzt. Dann, endlich, startet zum ersten Mal Windows 8 Pro – in der bereits zu oft gesehenen Kachelansicht.

Die ersten Gehversuche.

Einmal angemeldet, drückte ich natürlich einmal wild drauf los und probierte einmal ein paar Dinge aus, die man so in einer Touch-Oberfläche macht. Hier zeigt sich der erste Teil der Schizophrenie: Die Metro-Oberfläche ist bunt gemischt mit deutschen und englischen Ausdrücken. Die Karten-App zeigt beispielsweise einige Menüpunkte auf Englisch und andere auf Deutsch. Ich würde das ja nicht beanstanden, wenn es keine Microsoft-App wäre, aber "Karten" ist sogar vorinstalliert. "Kontakte" holt sich automatisch die Messenger-Kontakte. Mail wäre dann automatisch (zumindest in meinem Fall) Hotmail. "Karten" will sofort nach den Start den Standort wissen. Die Info ist nicht zwingend. Interessantes Detail am Rande: Karten findet mich immer in Dornbirn, obwohl ich aktuell in Linz wohne – seit 2 Jahren. Selbst 4 Tage nach der Installation weigert sich Windows, den Standort korrekt zu erkennen. Google machts natürlich problemlos. Soweit der Metro-Teil. Der fühlt sich auf den ersten Blick ganz solide an, wenn man genauer hinsieht, wirds aber dann schnell inkonsistent. Leider.

Der Desktop.

Links unten gibts eine eigene Desktop-Kachel. Einmal angeklickt, wechselt das OS in einem Flip seine Kleider: Aus Mobile OS wird Desktop OS. Alles wirkt vertraut, urplötzlich gibts keine Kacheln mehr, als ob sie nie da waren. Das Startmenü fehlt zwar, aber das stört nicht weiter – vorerst. Also einmal versucht, alle wichtigen Apps zu installieren. Wieder zurück zu Metro, mal testweise den Store aufgemacht. Ja, ich hab Google Chrome gefunden. Großes Aber: Desktop-Apps können nicht über den Store installiert werden. Man bekommt einen Link zur Website. Große Enttäuschung. Chrome installiert, anschließend alle anderen Tools nachgeladen. Funktionieren genausogut wie auf Windows 7, allerdings verhält sich Greenshot manchmal etwas seltsam.
Nachdem ich mir da meinen Arbeitsplatz halbwegs eingerichtet hab, wage ich mich wieder in die Metro-Welt.

Metro unter der Lupe.

Die Fotos-App zeigt die Ordner als Sammlungen an und nach einem Klick alle Bilder nebeneinander. Auf dem Tablet sicher toll zu bedienen – sliden, Foto auswählen, Foto kommt. Auf dem Desktop funktioniert das nicht einmal annähernd so gut. Nach dem Auswahl einer Sammlung werden die Bilder verkleinert nebeneinander angezeigt – aber Sliden ist nicht. Genausowenig navigieren mit der Tastatur. Weiter gehts nur mit der Scrollbar auf der unteren Seite des Bildschirms.
Apropos unterer Seite des Bildschirms. Wenn man in einer Metro-App mit der rechten Maustaste IRGENDWOHIN klickt, kommt das "Kontextmenü", entweder unten, oben oder beides. Den Kniff muss man auch erst rausfinden. Schließen kann man Metro-Apps auch nicht. Wie und wann die geschlossen werden, ist mir noch nicht ganz klar.
Kontextmenü gibts logischerweise nicht. Mir scheint, dass bei einigen Apps, die in die Metro-Welt gewandert sind, einige Einstellungen fehlen. Interessiert mich nicht weiter, ich will eher in der Desktop-Welt bleiben. Apropos Desktop. Rein logisch sind die zwei Welten verbunden, aber wer von was abhängt, wird nicht klar. Ist der Desktop eine Metro-App oder ist die Metro-Oberfläche eine Desktop-App?
Fakt ist, dass im Windows-Switching-Dialog (Alt-Tab) die Metro-Apps und die Desktop-Apps gleichberechtigt nebeneinander dargestellt werden. Will man allerdings mittels Mausgeste (Mit Maus an linken oberen Bildschirmrand, anschließend am linken Bildschirmrand entlang Richtung Mitte fahren) alle kürzlich verwendeten Apps ansehen, erscheinen alle Desktop-Apps nur als Punkt "Desktop". Dann wird dieser geöffnet, aber ohne die Möglichkeit, auf ein Programm den Fokus setzen zu können.

Windows-Update schizophren.

Direkt nach der Installation von Windows 8 gabs gleich mal einen Schub Updates für einen Haufen vorinstallierter Apps. Ich hab gleich alle aktualisiert. Nach dem Update gabs die Meldung, dass ich Windows neustarten müsse, damit die Updates angewendet werden können. Nachdems schon recht spät war, hab ich den Rechner runtergefahren und am nächsten Tag wieder gestartet. Die Überraschung: Beim Hochfahren hat Windows nix gemacht. Die Meldung, dass man den Rechner neustarten müsse, kam aber weiterhin. Nachdem ich anschließend explizit den Button "Restart Windows" gedrückt habe, der bei der Meldung dabei war, musste ich den Rechner extra neustarten, damit die Updates angewendet werden. Bezüglich der Usability ist das bestenfalls bedenklich.

Vollbildapps. Argh.

Etwas, das ich bestenfalls als Feature im Betastadium bezeichnen würde, ist dieses Fenster-Nebeneinanderstellen. Zieht man eine Metro-App am oberen Rand irgendwohin, kann sie als schmales Fenster links oder rechts platziert werden. Das funktioniert nicht bei allen Apps. Sinnvoll erscheint es mir bei Kontakten oder bei Skype. Allerdings: Die Breite ist fix. Das Layout des schmalen Fensters ebenso. Und im ersten Moment ist nicht ganz klar, wie ich die App wieder in den Vollbildmodus bekomme. Ein Feature zum Wegwerfen, weil furchtbar zu bedienen.

Ein erstes Fazit.

Das System fühlt sich immer noch fremd an. Immer noch klicke ich manchmal falsch, so dass ungewollt die falschen Aktionen ausgeführt werden. Typische Gesten, die von einer Tabletbedienung vertraut sind, werden nur teilweise unterstützt. Mit der Maus wirkt das aber trotzdem fremd.
Ich habe letzte Woche eine Bluetooth-Maus und eine Bluetooth-Tastatur an ein Android-Tablet gehängt. Die Bedienung hat auf Anhieb gut funktioniert, man hat gemerkt, dass das Konzept konsistent ist. Das kann ich bis jetzt von der Metro-Oberfläche nicht behaupten. Gerade unter der Haube hat das Betriebssystem einige interessante Neuerungen, allerdings wird der durchschnittliche User auf diese Verbesserungen pfeifen, wenn er nicht einmal die Oberfläche ordentlich bedienen kann.

Hätte Microsoft die Kacheloberfläche auf dem Desktop-OS weggelassen aber dennoch die Möglichkeit eingebaut, Metro-Apps auszuführen (ist in meinen Augen kein Widerspruch), wäre Windows 8 meiner Meinung nach weit besser akzeptiert worden.