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Von hochansteckenden Computerviren

  • 19. April 2012

Jetzt ist schon wieder was passiert..

Kurz zum Hintergrund: Seit einiger Zeit kursiert eine Malware im Internet, die sich die lokalen Eigenheiten zunutze macht. Der Wurm gibt vor, dass der PC gesperrt wurde – von offizieller Seite. botfrei.de berichtet hier von verschiedenen offiziellen Stellen, die hier vorgeschoben werden: Deutsche Bundespolizei, "Bundespolizei der Republik Austria", "National Cyber Crimes Unite" (sic!) oder GEMA-Logos werden über einem Warnhinweis in lupenreinem Deutsch angezeigt – ein Umstand, der das schockierte Opfer wahrscheinlich sehr schnell zum Zahlen bewegen würde.

Nun steht im Artikel vom ORF Vorarlberg ein Satz, die mich sehr ärgert. "Ein hoch ansteckender Computervirus hat nach Angaben der Vorarlberger Sicherheitsdirektion nun auch Vorarlberg erreicht." – der Artikel ist hier zu finden. Der Satz zeigt für mich eigentlich, was der VÖZ mit dem ORF-Gesetz kaputtgemacht hat. Die Futurezone war eine Website im deutschsprachigen Raum, die ihresgleichen sucht. Nicht nur Tests von Hard- und Software, sondern auch netz- und gesellschaftskritische Inhalte waren dort zu finden. Die Futurezone hat sich ihren Ruf erarbeitet und verteidigt – eine inhaltlich ausgezeichnet gestaltete Website, die durch massives Lobbying vom VÖZ im Herbst 2010 schlußendlich abgedreht werden musste.

Wrabetz hat damals aber versprochen, das die Redaktion der Fuzo weiterhin beim ORF bleibt und nicht befürchtet werden muss, dass die Inhalte verloren gehen. Die alte FuZo soll als Archiv ins Netz gestellt werden.

Was ist wirklich passiert? In Wirklichkeit ist die Futurezone des ORF vom Erdboden verschwunden. Einige wenige Redakteure schreiben noch vereinzelt auf help.orf.at oder fm4.orf.at, Seiten die wohl in der Regel nicht oft aufgerufen werden. Manchmal erscheint auf der Frontpage orf.at die Rubrik IT, die sich in der Regel mit Apple- oder Microsoft-Nachrichten beschäftigt, sofern es "große" Neuigkeiten sind. Die Vielfalt ist verschwunden, gerade die Netzpolitikseite ist nicht mehr existent. Wie man an diesem Artikel auf vorarlberg.orf.at merkt, da hat keiner gegengelesen, der eine Ahnung von der Materie hat. Das Archiv scheint wohl nicht mehr realisiert worden zu sein, und mit der Futurezone ist auch eine Art Verteidigung in der neuen Debatte des VÖZ verschwunden. Die neue Debatte zeigt erneut, wie die VÖZ den ORF kleinhalten möchte, zusammenstauchen. Die aktuelle Forderung: Keine Like-Buttons auf ORF-Seiten, keine Facebook-Pages von ORF-Angeboten order ORF-nahen Angeboten. Aktuell wehrt sich der ORF zwar noch, das hält Wrabetz aber wahrscheinlich solange durch, bis er selber etwas braucht oder einer seiner Parteikollegen ihm zuflüstert, er solle diesen Einschnitt doch hinnehmen.

Das mit dem Verbot der Facebook-Pages hat schon wieder FacePALM-Qualität. Und zwar Epic-Facepalm. Oder vielmehr "wtf is this shit"-Qualität. Im Herbst 2010 hat der ORF ein sehr sehr wichtiges Tool verloren, um seine persönliche Meinung kundzutun und in der Öffentlichkeit diskutieren zu können. Die Foren in den Landesdomains des ORF wurden deaktiviert (abgesehen davon, dass die Zahl der Nachrichten pro Woche beschränkt wurde, ein Wahnsinn für sich) und die Debatten auf debatte.orf.at durften nicht mehr ohne Artikel bekannt gegeben werden. Ein vernünftig denkender Mensch würde sich da an den Kopf greifen.

Wenn ich irgendwo Blogs lese, die die Kommentare deaktiviert haben, dann haben die entweder keine Lust auf Moderation, Angst vor der anderen Meinung, oder schlichtweg keine Lust  auf eine andere Meinung. Ähnliches denke ich mir bei Nachrichtenseiten. Nachrichtenseiten ohne Kommentarfunktionen sind mittlerweile unvorstellbar. Natürlich muss man die Kommentare pflegen, auch wegen der strafrechtlichen Relevanz bedeutet das klarerweise einen Mehraufwand. Österreichische Nachrichtenportale scheinen damit aber kein Problem zu haben, jedes Portal gibt dem User die Möglichkeit, seine Meinung unters Volk zu bringen, sei es nun hilfreich und wertvoll oder nicht.

Eine weitere wichtige Funktion wird dabei aber erst bei genauerer Betrachtung schlagend: Ein Forum ist ein Feedback-Kanal. Als regelmäßiger Leser von derStandard.at sehe ich oft, dass zu Artikeln Ergänzungen in Form eines Kommentars gepostet werden und diese Ergänzungen dann nachträglich eingetragen werden. Der ORF is net deppat. Facebook bietet wunderbare Möglichkeiten und auch als Feedback-Kanal wird Facebook gerne genutzt. So auch vom ORF. Nun kommt der VÖZ und meint, den ORF trollen zu müssen. Die fadenscheinige Ausrede, dass man durch Facebook-Pages somit Werbeeinnahmen und sensible Daten an eine US-amerikanische Firma abgibt, ist dem VÖZ scheinbar genug Grund, um massiv für ein Verbot von Social Media Angeboten des ORF zu werben. Schon 2010 wurde dem ORF einiges genommen – der Deal fiel meiner Meinung nach klar zu Ungunsten des ORF aus und jetzt scheint es, als ob der VÖZ den ORF weiter beschneiden will. 

Der ORF ist öffentlich-rechtlich und somit schon einigen Regeln unterworfen, denen private Medien nicht Folge leisten müssen. Mir kommt es vor, als ob der Verband österreichischer Zeitungen nicht daran interessiert ist, einen ehrlichen Wettbewerk zu führen. Wer durch Lobbyarbeit glaubt, den öffentlich-rechtlichen kleinzustauchen, hat bei mir schon verloren. Ein Facebook- und Twitter-Verbot ist darüberhinaus in der heutigen Zeit ein zusätzliches No-Go. Ich habe keine Zeitung abonniert, lese aber regelmäßig derStandard.at und dort vor allem das ausgezeichnete Web-Ressort. Scheinheilig? Leider ja. Und vielleicht fordere ich gerade deswegen vom VÖZ und von den "Qualitätskäseblättern" (man weiß eh schon, welche Blätter damit gemeint sind), dass das Niveau gehoben wird. Ich weiß, das geht ins Leere, aber ein Versuch wars wohl wert.

Update:

Gerade gesehen und jubilierend darf ich verkünden: Die APA hat eine FutureZone-Archiv auf http://www.fuzo-archiv.at/ veröffentlicht.