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Die andere Seite von Facebook

  • 6. August 2012
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Facebook kommt aus den Negativnachrichten gar nicht mehr heraus. Datenschutzverletzungen, die irgendwie keine sind, dann aber wieder doch, aber am Ende kommt heraus, dass Irland es sich einfach nicht mit den mächtigen Amerikanern verscherzen will. Aktieneinbruch, Mitgliederschwund, angebliche Generierung von Werbeeinnahmen durch Bots, und so weiter, und so fort. Gerade schmeichelhaft wird mit Facebook aktuell gerade nicht umgegangen – vermutlich deckt sich diese aktuelle Entwicklung nicht hundertprozentig mit der Vision von Zuckerberg.

Allerdings muss ich selber auch sagen, dass es dann doch etwas komplexer ist, als es zunächst den Anschein hat.

Vor einigen Tagen habe ich geschrieben, dass ich mich jetzt nach und nach dem Netzwerk Facebook entziehen werde. Keine likes mehr, nix mehr mit Timeline durchstöbern, keine Status’ mehr kommentieren.

Ich glaube, ich habe vieles schon am 2. Tag gebrochen. Nicht etwa, wegen einem technischen Problem oder weil Google+ so kompliziert ist. Nein, der Grund ist eigentlich viel simpler. Wie bereits vorher beschrieben, verwende ich Seesmic auf dem Desktop und auf dem Handy, Tweetdeck und Gwibber, um auf Twitter und Facebook zu posten. Ich lese die Timeline durch und entdecke Fotos, Videos und Links, die meine Freunde veröffentlicht haben – und schöne Geschichten, schöne Fotos werden eben mit einem “like” versehen. Wenn mir ein blöder Kommentar auf der Zunge liegt, dann wird er mitgeteilt.

Facebook ist für mich keine primitive Mitteilungsmaschinerie, wie sie offensichtlich hauptsächlich von US-amerikanischen Jugendlichen verwendet wird. Facebook ist für mich DAS Werkzeug, um mit meinen Freunden in Verbindung zu bleiben und zu erfahren, was andere gerade so treiben. Wer etwas mitverfolgt hat, wie ich Facebook in den letzten Wochen aktiv füttere, wird vielleicht festgestellt haben, dass meine Postinganzahl doch abgefallen ist. Ich habe immer öfter nur noch passiv meine Timeline durchstöbert. Wieso kann ich nicht genau sagen, ich denke aber, dass es mich einfach anödet. Oft passierts einfach, dass ich mich anmelde, ein paar Meldungen weiter runter lese und mich dann wieder abmelde. War der Ausflug dann für die Katz? Für mich nicht. Psychologisch betrachtet war er es nicht. Ich habe nachgesehen, wie es den Leuten so geht und das reicht dann auch.

Ich schaue hin und wieder mal die üblichen Facebook-fail-Seiten an – Lamebook, Failbook, und hin und wieder auch Webfail (shame on me). ich bin nahezu immer schockiert, wie die Benutzer sich selbst entblößen – oder wie sie einfach rein gar nicht nachdenken, während sie einen Post verfassen. Vermutlich hat mich dieser Umstand abgeschreckt – und letztendlich zum Nachdenken gebracht.

Facebook ist nun einmal die Plattform mit dem meisten Benutzern. Es mag bessere Plattformen geben, es mag Plattformen geben, die die Privatsphäre des Benutzers achten, aber Facebook ist nun einmal das Microsoft der social networks. Keiner mag es, jeder verwendet es. Mein Schritt hin zu Google+ kann nur ein ideell motivierter Schritt sein. Kaum ein Freund hat ein Google+-Konto geschweige denn benutzt er es ordentlich. Wie soll ich also auf Google+ Verbindungen mit meinen Freunden halten? Schwer möglich.

Facebook macht es schon intelligent. Benutzer werden quasi abhängig von Facebook gemacht – auf verschiedenen Wegen. Mit likes, belohnt sich der menschliche Körper (also, der reelle) selbst. Mit Kommentaren schafft man sich eine Bühne. Und mit Fotos kann man seine narzistische Neigungen voll ausleben. Klingt das abartig? Ja, schon, irgendwie. Aber wenn man sich ansieht, wie die Menschen sich selbst mit und für Facebook systematisch kaputtmachen, dann klingen diese Vergleiche schon eher plausibel.

Soziales Netzwerk hin oder her – Facebook hat einige Anzeichen einer klassischen Droge (zumindest meiner Betrachtung nach, ich bin Entwickler, kein Arzt) und sollte womöglich so behandelt werden. Es gibt genug Fälle von Facebookmissbrauch, da muss man nicht einmal lange danach suchen. Kinder, die Eltern wegen Facebook-Verbot umbringen, Kinder, die sich wegen Mobbing umbringen – wenn man einen Schritt weiter geht, könnte man sagen, dass FB bereits einige Leben auf dem Gewissen hat.

Ich persönlich halte mich daran, mit persönlichen Daten in Status-Updates sehr sparsam umzugehen. Mein Profil ist gefüllt, die Sichtbarkeit ist sehr genau gewählt, jede Einstellung wurde von mir einzeln eingestellt. Angeregt durch die Arbeit meiner Freundin habe ich selbst meine FB-Gewohnheiten in den letzten Monaten etwas hinterfragt. Facebook ist hilfreich und gefährlich zugleich. Vermutlich sollte man sich selbst Prinzipien auferlegen. Verhält es sich wie ein Hund? Ein Rudel? Eine Distanz ist in Ordnung, man muss dem Gegenüber zu verstehen geben, dass man unter ihm/ihr steht. Dennoch ist Zuneigung genauso wichtig, weil FB genausogut ein wichtiger Gefährte sein kann. Die Balance ist sicher schwierig. Ich versuche Facebook wie ein Werkzeug zu behandeln, nicht wie ein Genussmittel. Ich versuche stets, mich selbst bei meiner Benutzung zu beobachten. Hindert es meine Produktivität? Was ist meine erste Aktion, nachdem ich am Morgen meinen PC starte (ich bin Programmierer, ich darf das)? Liegt mein Handy während dem essen auf dem Tisch? Was macht es da? Habe ich das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn ich längere Zeit nicht nachsehe, ob ich neue Nachrichten habe?

Wie gesagt, Facebook ist eine Medaille mit zwei Seiten. Verführerisch-Gefährlich, Nützlich-Hilfreich. Wenn man beide Seiten kennt, erkennt man das Wesen von FB sehr viel besser. Wenn man gelernt hat, FB mit der nötigen Vorsicht zu behandeln, die es verdient, ist Facebook ein mächtiges Werkzeug.